Das Symbol der Sextner Dolomiten
Tre Cime di Lavaredo
Jeder will sie einmal sehen, diese markanten Türme aus Sedimentgestein, deren höchster Turm, die große Zinne, fast die 3.000er Grenze erreicht. Sogar die Macher von Star Wars hat diese in Südtirol und Venetien liegende Formation so fasziniert, dass die Zinnen zum Drehort wurden für eine surreale Welt aus eisiger Schroffheit und Macht (Episode 8: Solo). Die gespenstischen Szenen wilder unwirtlicher Landschaft sind aber kaum wieder zu erkennen hier, denn die Drei Zinnen dürften eine der am besten für Ausflügler erschlossenen "Gebirgsattraktionen" sein, die es gibt.
Der Monat August ist für Urlauber, die zu anderer Zeit reisen könnten, eigentlich ein Tabumonat. Wie auf Ameisenstraßen schlurfen die vornehmlich italienischen und holländischen Gäste hinereinander auf den gut ausgebauten Wegen, mit Kind und Kegel, immer wieder Versorgungsstopps einlegend, in denen die Kinder mit mtgebrachten Getränken, Bananen oder auch einer frischen Windel versorgt werden. Ein Ententeich wäre zum Umrunden gleich geeignet.
Kurz vor der Dreizinnenhütte staut sich unten eine Gruppe derer, die sich zwischen Umweg über den flachen Weg dort hinauf und der für ihre Teilnehmer eventuell doch zu anstrengenden, steileren "Treppe" noch nicht entschieden haben. Hier trennen sich Wanderer von Ausflüglern, die bald, in der Hütte in den beiden langen Schlangen anstehen (eine zum Bestellen und dann eine zur Essenausgabe); am Mittag hetzt hierdurch ein nicht mehr wirklich entspanntes Angestelltenheer mit vollbeladenen Tabletts, meist "Occhio" - Vorsicht! - rufend, mal auch etwas nicht sehr Nettes grummelnd.
Der Großteil der Ausflügler hat mit dem Erreichen der Dreizinnenhütte und den spätestens dort gemachten Fotos (che bellissima, incantevole, spettacolare, meravigliosa, splendida....) genug und geht denselben Weg zurück. Die anderen verteilen sich und nehmen überwiegend den Weg 105, der die kleinere Umrundung fortsetzt. Bergwanderer sieht man kaum; die Kletterer haben sich schon direkt im Bahnhof auf andere Wege gemacht.
Derweil lässt der ganze Weg immer die Zinnen im Innenkreis. Wie in einem Schaukäfig, umringt von Besuchern, ein gefangenes großes Wildtier, das aufgegeben hat, zu Brüllen oder gar sich zu wehren, weil dann die Betäubungspfeile wieder abgeschossen werden. Dabei ist die Formation alles andere als ungefährlich, denn die Ablagerungsschichten sind von unterschiedlicher Feuchtigkeitsspeicherkapazität, teilweise sogar mit Tonschichten, sodass bei Frost auch heute noch Absprengungen (Felsstürze) erfolgen können. Ein Glück, dass der Tiger im Käfig meist im Sommer bestaunt wird.
Die Wanderung war vom Ausblick her fantastisch, aber - anders als der Blick vom Schlern zum Rosengarten - nicht wirklich befreiend, sondern zwar staunend, aber zugleich enttäuschend. Natürlich ist es gut, wenn so schöne Felsformationen einer großen Anzahl von Besuchern gezeigt werden können, aber der Freizeitparkcharakter mit allen typischen Randphänomenen (Müll auf den Wegen, ein allgemein hoher Lärmpegel, viele PKW bei der Auronzohütte usw.) degradiert die Berge meiner Empfindung nach.
Ich fange jedenfalls an, zu begreifen, warum sich viele gute Bergsteiger damit schwertun, dass der Massentourismus in den Alpinismus übergreift und für weniger gute Kletterer eben lieber der Berg durch Wege und Steige, Brücken und Heli-Abholplätze vereinfacht wird, als dass dem Tourist vielleicht einmal ein Nein zur Besteigbarkeit angesichts seiner schlicht fehlenden Fähigkeiten gesagt wird, bzw. dieser die eigenen Grenzen akzeptiert. Die Drei Zinnen sind im Hinblick auf den Wanderweg ja ok., aber ein Zauberteppich z.B. auf den Ortler, nur damit ich einmal ganz von oben schauen könnte, wäre mir ein Graus. Das Erwandern ist das Wichtige und ich kann mir vorstellen, dass es sich mit dem "Erklettern" auch so verhält.