Skifahren lernen mit 47 Jahren?
Against all odds...
San Vigilio di Marebbe: von ganz leicht bis ganz schwer. Ein Skigebietsname wie süße Musik.
Skifahrnlernen unter Traumbedingungen!
Um es ganz klar zu sagen:
was für Südtiroler eine normale, frühestkindlich erlernte Fortbewegungsweise ist, ist für einen Menschen aus der norddeutschen Tiefebene, wo man Besuch auf 200 Km anreisen sehen kann, eine Herausforderung.
Glücklich müssen die Kinder sein, die von ihren Eltern in den Winterurlaub geschleppt werden (geschleppt werden können, alles auch eine Geldfrage!) und sich im Kindesalter mit diesen glatten Brettern vertraut machen können. Skifahren sei wie Radfahren, man lerne es und verlerne es nie ... sagen sie hier - also ... dort.
Nachdem aber der zweite Südtirolurlaub im späten Herbst 2016 vermehrt die Gespräche auf die bevorstehende Wintersaison brachte und mich an Erzählungen meiner Oma, die selbst aus den Bergen stammte, erinnerten, ließ ich mich "bequatschen" (gern bequatschen), zum Skifahrenlernen wieder zu kommen.
Skisachen?
Ganz unbedarft schloss ich mich einer Gruppe Skischülern an, die im Rahmen einer Skisafari appendixartig mit den "normalen" Gruppen von Skigebiet zu Skigebiet mitgeschlurt wurden.
Diese Gruppe war sehr bunt in den Fähigkeiten; einige waren nach Stürzen auf schwierigen Pisten oder langen Pausen nur zum Einstieg dabei, zwei andere, wie ich, hatten noch nie auf Skiern gestanden. Es gesellten sich auch Langläufer dazu, die einmal Alpin probieren wollten. Dank einer sehr guten Beratung im heimischen Sportgeschäft fror ich trotz -15°C nicht.
Eine der ersten Anschaffungen: ein passender Helm. Ich habe mir einen ausgesucht, der mit einer Luftkammer genau auf die Kopfform angepasst werden kann. Gerade bei kleinen Größen (S) ist das sicherer ohne irgendwo zu drücken.
Nach ersten Erfahrungen bei schlechtem Wetter habe ich meine einfache Schneebrille, die ich für 30,00 € gekauft hatte (und die auch normalerweise völlig ausreicht!) gegen dieses Luxusteilchen für das 8-fache ausgetauscht. Ich konnte damit deutlich besser sehen und auch von der Passform, die mit dem Helm gut abschließt, war die Investition für mich gut.
Zur
Frage, ob man eine Skiunterhose braucht: das hängt ein wenig von der
Skihose drüber ab. Wer eine warme, gefütterte Skihose hat, kommt mit
einem Panty i.d.R. aus, die gibt es auch in Merino-Ware. Auch bei einer
nur halblangen Hose (lange UHosenbeine drücken oft im Stiefel!) hat mich
das Bündchen in der Kniekehle dermaßen gestört, dass ich mich dagegen
entschieden habe, ohne dass ich gefroren hätte.
Aber seid nett zu Euch und kauft zumindest die guten Strümpfe, die im Stiefel keine Falten oder Nahtkanten spüren lassen! Es gibt meist dünnere und dickere Strümpfe. Die einen sagen, dass die dickeren das Bein etwas besser vor Druckstellen durch Skistiefel abpolstern, andere sagen, dass ein dünnerer Strumpf mehr Platz lässt und letztlich dadurch sogar mehr wärmt. Ich habe mich auch bei frostigen Temperaturen in der dünneren Strumpfvariante wohler gefühlt.
Also: bequeme Skiunterwäsche, sehr gute Strümpfe, ein paar gut passende Skihandschuhe (auf keinen Fall normale Handschuhe, da frieren die Finger ab...), ein Halswärmer (am besten ein Buff mit Vlies oder so), Schneebrille, Sonnenbrille, Basic-Vliesshirt (bis zum Hals hochschließbar), Skihose (ich liebe die mit Trägern, sieht zwar vielleicht lustiger aus, ist aber viel besser, als sich ständig den Schnee aus dem Bündchen zu fingern....), eine Skijacke (achtet darauf, dass die Skipasstasche unten am linken Arm ist! Sonst müsst Ihr immer Verrenkungen an jeder Schranke machen.), und bei Bedarf noch eine Vliesjacke, falls es echt kalt ist.
Der Rest kann erst einmal ausgeliehen werden (Helm und Schuhe wird man sich wahrscheinlich aber schnell selbst kaufen....). Stöcke und Bretter am Anfang gleich zu kaufen, halte ich persönlich für wenig sinnvoll, weil man ja erst mal lernt und dafür gibt es eben auch einfachere Ski, die man aber nicht lange braucht).
Nach einem Fehlkauf relativ teurer Skischuhe, die für meine kleine Schuhgröße bei ebenfalls kurzem muskulösem Wadenansatz schlecht saßen und mich sehr quälten, habe ich diese nur halb so teuren, aber geradezu bequemem Salomon Comfort-Fit Skistiefel gefunden. Für meine bescheidene Fahrweise reichen die ersteinmal völlig aus! Da ich zwischen 23,5 und 24,5 trage (je nach Hersteller), konnte mit Fersenfittern (die schwarzen Teile auf dem Foto) der Ferse in einem 24,5er noch mehr Halt gegeben werden. Der vorherige 23.5er K2 war trotz Austausch der Einlegesohle und Weitung einfach vorn zu schmal.
Ein gutes Sportgeschäft kennt alle Tricks; am besten findet Ihr einen Verkäufer, der aus einem Skigebiet stammt...;D Das Thema Skischuhe ist bei kleinen Füßen, die nicht an Kindern mit Kinderbeinchen oder eben an großen, sehr schlanken Frauen angewachsen sind, leidig. Da wird man von Sodom über Klein-Wümmede nach Gomorrah geschickt, über Heckeinsteiger (mir zu wackelig) und 4-Schnaller (dazu fehlt mir einfach ein Stück Bein!) beratschlagt und auch auf 800,00 € Bootfitting-Stiefel hingewiesen (ist für einen Anfänger pure Abschreckung). Mein Rat: weitersuchen, Zeit lassen und nochmal weitersuchen, weiterfragen nach Möglichkeiten minimalinvasiver Anpassungen (Polster, Schnallen verstellen usw.).
Schifoarn? Skifahrn!
Skischule ist bei Erwachsenen eine sehr gute Idee, jedenfalls, wenn es zum ersten Mal auf die Bretter geht. Wenn die Skischule aber mobil mit einer Skisafari mitfährt, darf man das als erschwerte Bedingungen aufnehmen - sowohl für die Skischüler wie die Skilehrer.
Einmal ins kalte Wasser geschubst - was hier quasi in der gefrorenen Variante ernst gemeint war - fühlt man sich gleich gefordert. Der tiefsitzende Instinkt eines Flachländers, sich beim Rutschen durch etwas hektisches Ausgleichen mit den Füßen abzufangen, führt mit den anfangs sehr unvertrauten, die Bewegungsfreiheit minimierenden Brettern an den Füßen automatisch zu Bodenkontakt. Habt Ihr schon einmal gesehen, wie sich Hunde bewegen, wenn Herrchen/Frauchen ihnen zum ersten Mal Pfötchenschützer anziehen....ja, so ungefähr.
Bevor man den Ski als Teil des eigenen Bewegungsapparates akzeptieren lernt und die ganzen netten Hinweise überhaupt wahrnehmen kann, vergeht eine Weile. Beim einen mehr, beim anderen weniger Zeit. Je jünger man ist, desto einfacher geht es wohl. Und Freude muss man dabei behalten können, sonst geht es gar nicht.
Nun hat der Himmel im Januar 2017 es zwar mit den Naturschneeliebhabern nicht gut gemeint, aber mit mir. Inzwischen kenne ich Naturschnee und weiß die optimalen Pisten vom Januar 2017 nachträglich zu schätzen, auch, wenn es ab und zu etwas vereist gewesen ist. Es gab schöne feste Kunstschneepisten, super präpariert und bis in den Nachmittag kaum aufgefahren.
Da unser Skilehrer offenbar ein Verfechter des exakten Carvens war (ich wusste bloß damals noch nicht einmal, was das ist), lernten wir Kanten wie die wandelnden Brotmesser. In großen Kurven zerschnitten wir brav in einer Schlange fahrend die ausgesucht flachen Hänge und wehe, es staubte Schnee auf. Von jedem Lift aus, der über eine Piste ging, wurden wir befragt, welchen der da unten laufenden Skifahrer wir für gut erachteten. "Der, welcher heile unten ankommt" war schon einmal keine gute Antwort. Wir sollten durch Nachahmen guter Fahrer lernen.
Heute weiß ich dies nicht immer nur lustige Training zu schätzen, gerade, wenn ich meine, dass es doch etwas steil für mich wird. Das "Goldstück" zum Berg und die Piste froh lächelnd nach vorn angehen - "lächeln für die Südtirolwerbung".
Einer Mitschülerin ist bei einem solchen Spruch des Skilehrers glatt einmal das böse "A-Wort" rausgerutscht ... uns taten in den überwiegend ausgeliehenen, nicht wirklich gut passenden Skistiefeln dermaßen die Waden und Oberschenkelmuskeln weh. Aber wir hatten viel, viel Spaß.
In einem Kurs von wenigen Tagen mit einer so gemischten Gruppe kann natürlich nicht alles vermittelt werden und man lernt jeden Urlaub etwas Neues. Und es geht: Skifahrn ist der schönste Freizeitsport der Welt!
Im Dezember 2018 hat es mich leider erwischt. Ein Schlag gegen den Ski auf unspektakulärer, eher einfacher Piste, nur ein kleiner Schneehaufen auf der am Nachmittag gut besuchten Seiser Alm und raus hat es mich geworfen. Schatzker II nennen die Chirurgen das dann später. Ob ich mit mehr Erfahrung und vielleicht früherer Gewichtsverlagerung auf den neuen Talski das Weiterdrehen des Ski hätte vermeiden können? Oder, ob der Slalomski, mit dem ich (das Vormodell schon seit 5 Tagen) fuhr und total glücklich war, doch zu schwierig für mich war? Oder war die Bindung mit 6 zu streng?... viele Gedanken sind von außen an mich heran getragen worden und das Komische war, dass mich das gar nicht wirklich anging und mir nur ein nett gemeintes Zeichen der Anteilnahme darstellte.
Man ist immer nur selbst derjenige, der es so oder so empfindet. Ich habe vom ersten Moment an keine Schuld gefühlt, weder Vorwürfe an mich noch an andere. Manchmal wurde mir bewusst, dass sich in mir so gar nichts an Argwohn, Trübsal oder Schuldzuweisung bemerkbar machte. Es war eben einfach so, es war ärgerlich (besonders die anstrengende AuslandsKV), aber ändern konnte ich eh nichts. Klar, war ich froh, dass kein anderer beteiligt war, keine Rechtsstreitigkeiten und keine Vorwürfe. Aber man kann auch zuhause beim Treppenwischen ausrutschen und sich verletzen. Ich hatte eine innere Ruhe und Überzeugung, dass es sich finden wird.
Für mich war es einfach ein Unfall, der mir wieder eine - wenngleich schmerzhafte - neue Lebenssituation und Erfahrung gebracht hat. Es hat mich gelehrt, wie man allein Dinge regeln, Hilfe erfragen muss und manchmal auch von unerwarteter Seite bekommt und von erhoffter Seite eher nicht, wie man um seine Versicherungsleistungen kämpfen muss und sich auch manchmal "böse werden" lohnt. Ich habe so viel Glück im Unglück gehabt, dass es durchaus auch eine wichtige Entwicklung mit einem positiven Bilanzergebnis für mich ist.
Das heißt aber nicht, dass Ihr euch jetzt alle mal selbst von der Piste semmeln sollt...;D